„Investitionen
in faire Rohstoffgewinnung und Produktion belohnen“
(Hamburg,
14.09.2018) „Make IT
fair!“ –mit dieser Forderung eröffnete Christine Priessner von Fair Trade Stadt
Hamburg heute die diesjährige Faire Woche in Hamburg. „Wir dürfen den fast
unstillbaren Rohstoffhunger der Elektronikindustrie und die massiven Menschenrechtsverletzungen
in den Zulieferketten von Notebooks, Smartphones und Co. nichtstillschweigend
hinnehmen“, sagte die Fachpromotorin zur Stärkung von Hamburgs Fairhandelsaktivitäten.
Priessner weiter: „Die öffentliche Hand kann und muss Vorbildfunktion
übernehmen und ihre Marktmachtnutzen, um bestehende Ansätze der sozial-ökologisch-verträglichen
Beschaffung vonInformationstechnik weiter voranzubringen.“ Zum Auftakt der
Fairen Woche hat Priessner deshalb VertreterInnen
aus Produktion, Einkauf und Zivilgesellschaft zum Fachaustausch zusammengeholt.
Dataport setzt auf soziale Kriterien bei der
Beschaffung
Wichtiger
Player im Norden ist Dataport, der Full Service Provider für Informationstechnik
der öffentlichen Verwaltungen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt
sowie für die Steuerverwaltungen in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen und
viele Kommunalverwaltungen in Schleswig-Holstein. Rund 100-tausend
IT-Arbeitsplätze werden von Dataport als zentraler IT-Beschaffungsstelle mit
Hardware versorgt. Das Thema Nachhaltigkeit auch im sozialen Bereich hat die
Anstalt Öffentlichen Rechts sich bereits 2014 auf die Agenda gesetzt und fordert
von seinen Bietern seitdem Konzepte zur sozialverantwortlichen Produktion
sowohl bei der Herstellung der Produkte als auch bei der Gewinnung der
Rohstoffe. Die Lieferanten müssen darlegen, wie sie die Einhaltung von
Sozialstandards bestmöglichgewährleisten und überprüfen – darunter das Verbot
von Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit, die Vereinigungsfreiheit, Kündigungsschutz
und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. „Sozial nachhaltige IT-Beschaffung über
alle Produktions- und Lieferstufen gibt es leider nicht“, sagt Henning Elbe, Umweltschutzbeauftragter
bei Dataport, und wirbt mit Blick auf die zehn Lieferkettenstufen von der
Schmelzhütte bis zur Endmontage und1 Millionen Komponenten von 1.000
Herstellern um Verständnis. Elbes Resümee nach der inzwischen zweiten
Ausschreibung der Hardware-Lieferungen ist dennoch vorsichtig optimistisch:
„Das Thema ist in der Branche angekommen. Soziale Kriterien werden von den
Herstellern als Wettbewerbsvorteilerkannt. Die Qualität der Konzepte steigt. So
sind immer mehr Hersteller bereit, ihre Lieferketten offen zu legen. Auch
lassen immer mehr Unternehmen ihre Arbeitsbedingungen, ihr ethisches
Verständnis und ihren Umgang mit der Gesundheit ihrer Arbeitnehmer prüfen und zertifizieren.“
WEED beklagt menschenrechtliche Situation beim
Rohstoffabbau
„Das
Engagement von Dataport wirkt in den Markt“, bestätigt Annelie Evermann,
Referentin Wirtschaft und Menschenrechte bei WEED e.V. – World Economy,Ecology& Development. Evermann wünscht sich auch von anderen Beschaffungsstellen
mehr Mut, sich nicht mit Eigenerklärungen in der Lieferketteabspeisen zu
lassen, sondern aktiv soziale Kriterien einzufordern und diese zu überprüfen. Außerdem
könnten Beschaffungsstellen viel tun, indem sie die Augen offen halten, wo sich
gute Entwicklungen abzeichnen, die man unterstützenkann. Als Beispiel nennt
Evermann die menschenrechtliche Situation beim Rohstoffabbau, bei der manche
IT-Hersteller sich um Fragen wie Kinderarbeit oder Konfliktrohstoffe bemühen. „Es
gibt immer wieder Unternehmen, die wirklich in die Verbesserung der sozialen
und ökologischen Abbaubedingungen investieren“ betont Evermann. „Diese
Investitionen sollte man belohnen.“ Und auch die weiteren Lieferkettenstufen in
der Herstellung seien ein solches Feld, da hier aufgrund fehlender
Verantwortungsübernahme der Hersteller von gravierenden Arbeitsrechtsverletzungen
auszugehen sei. "Die Herstellerhaben ihre Produktion in Niedriglohnländer ohne
ausreichende staatliche Kontrolle ausgelagert und übernehmen die Verantwortung
für die Einhaltung von Mindeststandards bei den Rechten der Arbeiter*innen, bei
Gesundheit, Arbeitssicherheit und der Einhaltung von Umweltstandards nun
höchstens bei ihren direkten Zulieferern." Das Problem: Die Zulieferer
hätten im Gegensatz zu den großen Herstellern in der Regel weder das Know-how
noch die Ressourcen, die notwendigen Kontrollen durchzuführen. Die
Unterschriften auf den Selbstverpflichtungen sagen deshalb nichts aus. "Mit
sogenannten Wertungskriterien können Beschaffungsstellen auch hier Vorreiter
unter den Herstellern bevorzugen."
IT.Niedersachsen hat die Faire Maus angeschafft
IT.Niedersachsen,
der zentrale IT-Dienstleister des Landes Niedersachsen, ist diesen Weg gegangen
und hat im Winter 2016 19tausend faire Computermäuse vom Hersteller Nager IT
für die niedersächsische Polizei geordert. „Das Land Niedersachsen sieht sich in
einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Mit dem Einsatz der fairen Maus gehen wir diesem Anspruch gerne nach“, sagt
Jens Lehner, seinerzeit Leiter des zentralen IT-Einkaufs in Niedersachsen.
„Beschaffungen werden natürlich möglichst effizient, andererseits aber auch
unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte vorgenommen“, so
Lehner.
Auch der um
faire Rohstoffgewinnung und Produktion bemühte Hersteller Nager IT kann nicht
für seine komplette Lieferkette garantieren, die mehr als 100beteiligte
Fabriken und Minen umfasst. Doch die „Faire Maus“ von Nager IT ist mit Abstand
das fairste, was es im Bereich Elektronik derzeit gibt. Der Herstellersagt, man
könne seine Maus derzeit mit gutem Gewissen als 2/3 fair bezeichnen. Dem Ziel
einer Computermaus, die im gesamten Produktionsprozess ohne jegliche Ausbeutung
hergestellt wird, nähere man sich Schritt für Schritt, nach dem Motto am
Fairsten → Fairer → Fair.
Drei Tipps
für den fairen Computereinkauf
Nicht jedes
Unternehmen und jeder Endabnehmer kann mit seinem IT-Händler über
Beschaffungskonzepte verhandeln. Drei Tipps für den fairen Computereinkauf:
- TCO-Gütesiegel helfen dem Käufer, sehr gute Qualitäts- und Umweltschutz-Standards bei IT-Geräten zu erkennen. Seit 2009 gehört auch die soziale Verantwortung in der Produktion der Geräte zu den Prüfanforderungen.
- Die Langlebigkeit von Geräten und lange Beschaffungszyklen sparen Ressourcen und schonen die Umwelt.
- Wer auf die Reparierfähigkeit von Geräten achtet, unterstützt lokale Repair-Cafés oder die Kleinen und Mittelständischen Dienstleister, die die Geräte reparieren können.
Das
komplette Programm der Fairen Woche in Hamburg siehe www.fairtradestadt-hamburg.de
Kontakt:
Christine
Priessner
Projektkoordinatorin
Fair Trade Stadt Hamburg, Fachpromotorin für den Fairen Handel
c/o Mobile
Bildung e.V.
Stresemannstr. 374
22761 Hamburg
Fon: 040 – 88 15 66
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