Reiche Länder werden fast dreimal so viel Paxlovid erhalten wie der Rest der Welt


WTO-Verhandlungen

Reiche Länder werden fast dreimal so viel Paxlovid erhalten wie der Rest der Welt

Regierungen der Industrieländer wiederholen die Fehler der ungerechten Impfstoffversorgung

Berlin, 21.11.2022. Einen Tag vor dem informellen Treffen des TRIPS Councils der Welthandelsorganisation (WTO) zeigen neue Berechnungen von Oxfam und der People's Vaccine Alliance (PVA), dass das Pharmaunternehmen Pfizer den Großteil des Bestands seines COVID-19-Medikaments Paxlovid an reiche Länder liefern wird. Die Organisationen fürchten, dass es wieder die wirtschaftlich benachteiligten Länder sein werden, die die schlimmsten Konsequenzen der Pandemie tragen müssen – wie schon bei den Impfstoffen. Einige Länder könnten für Paxlovid zehnmal so viel zahlen wie für ein gleichwertiges Generikum.

Daten von Airfinity zeigen, dass die reichsten Länder 74 Prozent aller Dosen von Pfizers Paxlovid erhalten werden, während für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen lediglich 26 Prozent reserviert sind – obwohl diese 84 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Zudem ist der Bedarf in wirtschaftlich benachteiligten Ländern viel höher, weil die Bevölkerung weitgehend ungeschützt ist gegen das Virus: Impfstoffe kamen kaum oder verspätet an, so haben in Ländern mit niedrigem Einkommen bisher nur 24 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfstoffdosis erhalten. Paxlovid könnte gerade dort schwere Verläufe massiv reduzieren und Leben retten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Einsatz von Paxlovid, weil es Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit deutlich reduzieren kann.

Pfizers Monopol auf das Medikament führt dazu, dass in einigen Ländern mit mittlerem Einkommen der Preis für Paxlovid mit 250 Dollar um das Zehnfache höher sein könnte als der für ein gleichwertiges Generikum, das in anderen Ländern für 25 Dollar angeboten wird. Solche Generika werden für jene einkommensschwachen Ländern verfügbar sein, für die die Clinton Health Initiative (CHAI) eine Vereinbarung mit Pfizer und bisher nicht benannten Herstellern von Generika getroffen hat.

Nach anderthalb Jahren Verhandlungen wies die WTO im Juni den Antrag auf Freigabe der geistigen Eigentumsrechte für alle medizinischen COVID-19-Technologien zurück. Stattdessen wurde ein Papier verabschiedet, das nur für Impfstoffe gilt und dort kaum über bereits bestehende Möglichkeiten für Zwangslizenzen hinausgeht. Seit September verhandelt das TRIPS Council der WTO über eine Erweiterung. Oxfam und die PVA fordern die Mitgliedstaaten der WTO auf, unverzüglich eine Freigabe der geistigen Eigentumsrechte für COVID-19-Medikamente und -Tests zu beschließen, damit einkommensschwache Länder selbst in Produktion gehen können und Medikamente und Tests weltweit zugänglich und erschwinglich sind.

Jennifer Reid, Oxfam-Gesundheitsexpertin, erklärt: „Die WHO hat klar gesagt, dass alle Länder Medikamente wie Paxlovid brauchen, um die Sterblichkeit zu verringern und Krankenhausaufenthalte zu reduzieren. Aber das Patentrecht ist ein regelrechtes Minenfeld und schneidet einkommensschwache Länder von der Versorgung mit Medikamenten und Tests ab, die sie jetzt und in Zukunft brauchen, um Leben zu retten."

Mohga Kamal Yanni, Gesundheitsexpertin der PVA, erklärt: „Vor Jahrzehnten haben Regierungen Pharmakonzernen erlaubt, ganz allein Preis, Zugang und Lieferung von lebensrettenden HIV-Medikamenten zu kontrollieren. Millionen von Menschen sind gestorben, weil sie sich die Medikamente nicht leisten konnten. Das Gleiche wiederholt sich nun mit COVID-19-Impfstoffen, -Medikamenten und -Tests. Die Politik erlaubt es den Konzernen, über Leben und Tod zu entscheiden. Die Mitgliedstaaten der WTO müssen Verantwortung zeigen und sicherstellen, dass die öffentliche Gesundheit Vorrang hat vor kommerziellen Interessen."

Oxfam ist Teil der People's Vaccine Alliance, einem Bündnis von fast 100 Organisationen, das sich für die Aussetzung der Patentrechte auf COVID‑19-Impfstoffe einsetzt.

 

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