Frauen und Mädchen weltweit durch Sparpolitik bedroht

Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen:

Oxfam: Sparmaßnahmen von Regierungen sind Gewalt gegen Frauen

Berlin, 22.11.2022. Vier von fünf Regierungen weltweit haben Sparmaßnahmen verhängt, die zu Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und sozialer Sicherung führen. Davon sind insbesondere Frauen, Mädchen und nicht-binäre Personen stark betroffen. Das geht aus dem Bericht „The Assault of Austerity: How prevailing economic policy choices are a form of gender-based violence" hervor, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam heute im Vorfeld des ‚Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen' (25.11.) veröffentlicht. Oxfam fordert von den Regierungen weltweit eine höhere Besteuerung von Superreichen und Konzernen, um mit den Einnahmen die Krisenfolgen abzufedern, soziale Grunddienste zu finanzieren sowie Frauenrechtsorganisationen zu stärken.

Mara Brückner, Kampagnenkoordinatorin Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland, kommentiert: „Staatliche Sparmaßnahmen sind eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Frauen tragen die Hauptlast der physischen, emotionalen und psychologischen Folgen von Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen wie dem Zugang zu Gesundheit, Bildung, Elektrizität und Wasser, weil sie abhängiger von öffentlichen Dienstleistungen sind als Männer. Auch arbeiten weltweit größtenteils Frauen im öffentlichen Sektor, sind also besonders von Einkommens- oder Arbeitsverlust in diesem Bereich betroffen. Diese Gewalt zu beenden, ist eine Frage des politischen Willens."

Der Bericht beschreibt, wie die andauernde Coronapandemie sowie steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern weiter vertiefen und staatliche Sparmaßnamen dies noch verschärfen. Drei Beispiele:

  • Frauen haben schon vor der Pandemie weltweit den Großteil unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit übernommen. Allein 2020 haben sie zusätzlich 512 Milliarden unbezahlte Stunden geleistet. Durch Sparmaßnahmen bei öffentlichen Angeboten droht diese Zahl weiter zu steigen.
  • Frauen waren nach Ausbruch der Corona-Pandemie überproportional von Arbeitsplatzverlusten betroffen. Diese Ungleichheit setzt sich bei der Rückkehr in den Beruf fort: Zwischen 2019 und 2022 entfiel nur ein Fünftel (21 Prozent) der prognostizierten Beschäftigungszuwächse auf Frauen. Gleichzeitig fehlen staatliche Maßnahmen, um soziale Absicherung zu gewährleisten.
  • Geschlechtsspezifische Gewalt ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Jede zehnte Frau und jedes zehnte Mädchen hat im vergangenen Jahr sexuelle und körperliche Gewalt durch einen Intimpartner erlebt. Laut einer UNDP-Studie haben 85 Prozent der Länder weltweit ihre Notdienste für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalttaten während der Pandemie aufgrund von Sparmaßnahmen geschlossen.

„Frauen sind in der derzeitigen Krise doppelt von Kürzungen betroffen: direkt durch steigende Preise und den Verlust von Arbeitsplätzen und indirekt, weil sie die Folgen der Sparmaßnahmen ‚abfedern' und von ihnen erwartet wird, dass sie sich um alles kümmern, wenn der Staat sich zurückzieht. Damit zahlen vor allem Frauen den Preis für die Krise", so Brückner. 

Oxfam ruft alle Regierungen dazu auf, die Sparpolitik zu beenden und stattdessen die Rechte von Frauen, Mädchen und nicht-binären Menschen zu stärken. Konkret heißt das, in den weltweiten Ausbau allen Menschen zugänglicher öffentlicher Bildungs-, Gesundheits- und sozialer Sicherungssysteme zu investieren und Frauenrechte und -organisationen weltweit stärker zu unterstützen.

Um dies zu finanzieren, müssen sie

  • einen weitreichenden Schuldenerlass und Schuldenerleichterungen für alle Länder beschließen, die dies benötigen, insbesondere für wirtschaftlich benachteiligte Länder. Private Gläubiger müssen verpflichtet werden, Schuldenerleichterungen zu denselben Bedingungen anzubieten wie Staaten und internationale Institutionen.
  • eine stärkere Besteuerung von Konzernen und sehr vermögenden Menschen durch ambitionierte Übergewinnsteuern und eine höhere Vermögensbesteuerung in die Wege leiten. Eine progressive Vermögenssteuer für die Millionär*innen und Milliardär*innen der Welt könnte fast eine Billion Dollar mehr einbringen als die Regierungen durch Kürzungen im Jahr 2023 einsparen wollen.

Den Bericht „The Assault of Austerity: How prevailing economic policy choices are a form of gender-based violence" finden Sie hier.