Wissenschaftlicher Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) zum Abschluss der Pariser Klimakonferenz
Berlin, 12. Dezember 2015 (WBGU) Aus Sicht des WBGU ist mit dem "Paris Agreement" nach jahrelangem
Tauziehen endlich ein historisches Klimaschutzabkommen gelungen. Alle
Staaten setzen sich Ziele, um ihre Wirtschaften in Richtung
klimaverträglicher Entwicklung umzusteuern. Nicht zuletzt durch eine
Allianz der ambitionierten Staaten, zu der sich in Paris die EU, die
USA, Brasilien, die kleinen Inselstaaten und viele Entwicklungsländer
zusammengeschlossen hatten, konnten die Bremser des Klimaschutzes
überwunden werden. Auch wenn das Abkommen erst 2020 in Kraft tritt, kann
es bereits heute erhebliche Auswirkungen entfalten. Mit dem Vertrag
wird das Ziel der Begrenzung des Klimawandels auf weniger als 2°C
verglichen mit der Zeit vor der Industrialisierung nun völkerrechtlich
verankert, und eine Begrenzung auf 1,5°C angestrebt. Es wurde
festgelegt, dass die Kehrtwende in Richtung klimaverträglicher
Weltwirtschaft sofort eingeleitet werden muss, um in der 2. Hälfte des
Jahrhunderts die Emissionen auf Null zu bringen. Der Vertrag ist seit
dem Kioto-Protokoll von 1997, das auf Emissionsminderungen der
Industrieländer fokussiert war, der erste völkerrechtlich verbindliche
Vertrag zum Klimawandel, und stellt den globalen Klimaschutz auf eine
neue, umfassende Basis, da er alle Staaten mit einbezieht. Das Abkommen
dokumentiert die Einigung der Staatengemeinschaft auf eine weltweite
Transformation zu einer klimaverträglichen Wirtschaftsweise, enthält
aber auch umfangreiche Vereinbarungen zur Anpassung an den Klimawandel,
den Umgang mit Verlusten und Schäden von Folgen der globalen Erwärmung
sowie Finanzzusagen und weitere Unterstützungsangebote der reichen
Länder. Auch wenn die ambitioniertesten Klimaschützer nicht alle Ziele
durchsetzen konnten, ist Paris damit zu einem Gipfel der Nachhaltigkeit
geworden.
Langfristziel ist Einstieg in Dekarbonisierung der Weltwirtschaft
Im Abkommen ist
es auch gelungen, das langfristige Ziel eines Absenkens der globalen
Emissionen im Verlauf dieses Jahrhunderts auf Null zu verankern. Die im
Abkommen getroffene Formulierung lässt allerdings noch
Interpretationsspielraum. Der WBGU weist darauf hin, dass für eine
Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2°C die globalen
CO2-Emissionen bereits bis etwa 2070 auf Null absinken sollten. Dieses
Ziel der "Dekarbonisierung der Weltwirtschaft" wurde bereits von den
G7-Staaten anerkannt und sollte Herzstück der Klimaschutzstrategien
aller Staaten werden. Damit ist ein Ende von Kohle, Erdöl und Gas
eingeleitet.
Klimaschutz-Zusagen der Länder noch unzureichend
Bereits im
Vorfeld der Konferenz haben die Staaten angekündigt, welche nationalen
Ziele und Maßnahmen sie ab 2020 ergreifen wollen. Diese sind aber, wie
die Verhandlungspartner selbst einräumen, insgesamt noch nicht
anspruchsvoll genug, um die im Vertrag genannten Ziele zu erreichen. Die
bisherigen Klimaschutz-Zusagen der Länder (Intended Nationally
Determined Contributions, INDC) würden nur zu einer Begrenzung der
Erderwärmung auf etwa 3°C ausreichen. Sie müssen also dringend weiter
verschärft werden. Hier sollte auch die EU ein Zeichen setzen, indem sie
ihr Minderungsziel bis 2020 von derzeit 30 auf 40 % verstärkt.
Der
WBGU begrüßt, dass die Klimaschutzbeiträge nun alle 5 Jahre überprüft
und neue Ziele eingereicht werden sollen. Allerdings garantiert diese
Vereinbarung noch nicht, dass diese auch umgesetzt werden.
Dazu
der Ko-Vorsitzende des WBGU Hans Joachim Schellnhuber: „Das
Langfristziel ermöglicht eine Minderung der Treibhausgasemissionen auf
Netto-Null binnen weniger Dekaden. Dies entspricht den
wissenschaftlichen Analysen über die notwendigen Maßnahmen zur
Vermeidung gefährlicher Klimaänderungen wie Wetterextremen oder
Meeresspiegelanstieg. Zur Klimastabilisierung müssen die CO2-Emissionen
vor 2030 ihren Scheitelpunkt erreichen und möglichst schnell nach 2050
auf null gesenkt werden. Technologien wie Bioenergie mit
Kohlenstoffspeicherung und -abscheidung sowie Wiederaufforstung können
dabei eine Rolle spielen, aber die Minderung der CO2-Emissionen ist
entscheidend. Die internationale Staatengemeinschaft hat heute
Geschichte geschrieben, so dass sich künftige Generationen an dieses
Ereignis erinnern werden.“
2015 Jahr der Umkehr in Richtung Nachhaltigkeit
Wenn die Staaten
ihre Klimaschutzziele entsprechend des Abkommens von Paris in Richtung
des 2°C-Zieles verstärken, dann könnte das Jahr 2015 in der Rückschau zu
einem Jahr der Umkehr in Richtung Nachhaltigkeit werden. In diesem Jahr
wurden die neuen Ziele der Vereinten Nationen für Nachhaltige
Entwicklung verabschiedet und in der 2030 Agenda zusammengeführt, die
Enzyklika Laudatio Si veröffentlicht, in der der Papst für gerechtes
Wirtschaften und Erdsystemschutz eintritt und die Investitionen in
erneuerbare Energien überschritten erstmals die Investitionen in fossile
Energieträger. Zugleich gewann in 2015 die Divestment-Bewegung an
Fahrt. Neben dem Norwegischen Pensionsfond und vielen anderen Groß- und
Kleinanlegern kündigten zuletzt auch der Allianz-Konzern und zahlreiche
Unternehmen wie das Ceres’ Investor Network on Climate Risk, das 381
Investoren mit einem Wert von 25 Mrd. US-$ repräsentiert, ihren Rückzug
aus dem Geschäft mit fossilen Energien an.
Dirk
Messner, Ko-Vorsitzender des WBGU, betont: „Die neue Allianz der
ambitionierten Staaten ist eine große Chance. Nichts hält sie davon ab,
rascher voranzugehen, als im Abkommen von Paris festgehalten. Die EU und
Deutschland sollten Entwicklungs- und Schwellenländer, Städte und
zivilgesellschaftliche Netzwerke, die anspruchsvollen Klimaschutz
beschleunigen wollen, besonders unterstützen. So kann eine
Positivspirale zur Dekarbonisierung in Kraft gesetzt werden.“
Die nächsten Schritte
Die
Industriestaaten haben sich in Paris auch zu einer ansteigenden
Mobilisierung von Finanzmitteln zur Förderung von Klimaschutz und
Klimaanpassung in Entwicklungsländern verpflichtet. Andere Länder sind
zu freiwilligen Beiträgen eingeladen. Die Zusagen in Höhe von 100 Mrd.
US-$ jährlich sind in den Entscheidungen von Paris erwähnt. Nun müssen
die Industriestaaten ihre Zusagen rasch umsetzen. Entscheidend für die
Effektivität des Abkommens wird zudem sein, dass die Staaten den Vertrag
in zusätzlichen Umsetzungsvereinbarungen präzisieren. Die Fahrpläne zur
Überprüfung der nationalen Klimaschutz-Zusagen sollten noch präziser
gefasst werden. Auch bei den Vereinbarungen zu den sogenannten
Marktmechanismen, bei denen Maßnahmen innerhalb eines Staates den
Minderungsanstrengungen eines anderen Staates zugerechnet werden,
bleiben noch Fragen. Es ist dabei wichtig, aus den Problemen des Clean
Development Mechanismus und anderer flexibler Mechanismen des
Kioto-Protokolls zu lernen.
Es kommt
jetzt darauf an, die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen mit Leben
zu füllen und dies in allen Staaten in Dekarbonisierungsfahrpläne zu
übersetzen. Dies ist die Aufgabe der Stunde für einzelne Staaten,
Staatenbündnisse, Städte und Städtebündnisse. Gleichzeitig sollte
sichergestellt sein, dass die in Paris getroffenen finanziellen Zusagen
eingehalten werden und Technologietransfer sichergestellt ist. Auf diese
Weise wird gewährleistet, dass globale Verabredungen national und lokal
umgesetzt werden.