Landimporte: Welthandel ist Flächenhandel

Kein anderer Kontinent ist für seinen Konsum stärker auf fremdes Land angewiesen als Europa. Die Landnahme, etwa für Futtermittel, hat im Rest der Welt dramatische Folgen - wie der neue "Bodenatlas" zeigt.

Jeder EU-Bürger, darunter ganz vorn die Deutschen, verbraucht gemäß den ermittelten Zahlen pro Jahr 1,3 Hektar Land, sechsmal so viel wie ein Einwohner aus Bangladesch. Europas gewaltiger Bedarf an Land wirkt sich negativ auf die Umwelt, das Sozialwesen und die Wirtschaft der Regionen aus, aus denen es kommt. In Entwicklungsländern trägt er massiv zu einer Zerstörung des Ökosystems, zu Grundstückskäufen im großen Stil (dem "Land Grabbing") und zur Umsiedlung von Indigenen bei. Anstatt diese Probleme anzugehen, verbraucht die EU immer mehr Land. Auch bei der Umstellung auf Biokraftstoffe werden die Folgen für den Land-Fußabdruck Europas nicht berücksichtigt.

Ein Beispiel ist Palmöl, das als Nahrungsbestandteil verwendet wird. Die hierfür erforderliche virtuell importierte Fläche hat sich seit dem Jahr 2000 von 1 auf 2 Millionen Hektar verdoppelt. Die virtuelle Fläche für Raps, Basis eines anderes Pflanzenöls, hat sich im gleichen Zeitraum auf fast 3 Millionen Hektar verdreifacht. Die Palmölproduktion hat in Indonesien und Malaysia, den beiden größten Herstellern, besonders schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Sozialwesen: Die biologische Vielfalt dieser Länder ist extrem gefährdet, und die Landrechte vieler Einwohner in beiden Staaten sind prekär. Die Errichtung weiterer Plantagen bedeutet in vielen Fällen, dass Wälder gerodet und Kleinbauern und indigene Völker vertrieben werden.

Europas "Land-Fußabdruck" ließe sich verringern.

Forscher haben errechnet, dass die EU weitere 70 Millionen Hektar Land benötigt, um die Anforderungen an Bioenergie gemäß ihrem Klima- und Energierahmen 2030 zu erfüllen. Das entspricht einer Fläche, die größer als Frankreich ist. Die aufstrebenden Märkte für Materialien wie Biokunststoffe und Biochemikalien werden das Problem weiter verschärfen. Europäer verbrauchen mehr Land dieser Erde, als ihnen zusteht. Der internationale Ausschuss für nachhaltiges Ressourcenmanagement (International Resources Panel), ein Expertengremium des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, hat berechnet, wie viel Ackerland wir nutzen dürften, wenn fair geteilt würde. Die Antwort lautet: 0,2 Hektar pro Person und Jahr - das ist weniger als ein Drittel eines Fußballfeldes und weniger als ein Sechstel dessen, was jeder Europäer derzeit verbraucht.

Quellen und weitere Informationen

Heinrich-Böll-Stiftung, IASS, BUND und Le Monde Diplomatique veröffentlichen ihren ersten Bodenatlas 2015 mit Daten und Fakten zu Acker, Land und Boden. Creative Commons (CC-BY-SA) - Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, IASS und Le Monde diplomatique