OECD-Gutachten zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit

In seinem kürzlich veröffentlichten Peer Review Report wirft der Entwicklungsausschuss
(DAC) der OECD einen kritischen Blick auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit der
letzten vier Jahre. Deutschland war während der letzten beiden Jahrzehnte einer der
weltweit größten bilateralen Geber, gab 2009 jedoch nur 0,35% seines
Nationaleinkommens für Leistungen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA)
aus. Damit ist die Bundesrepublik gegenüber ihrem Versprechen, die ODA im Verhältnis
zum Nationaleinkommen bis 2010 auf 0,51% und bis 2015 auf 0,7% zu erhöhen, deutlich in
Rückstand geraten. Deutschland beabsichtigt allerdings weiterhin, die ODA-Leistungen
bis 2015, wie zugesagt, auf 0,7% des BNE anzuheben.

Deutschlands weltweite Bedeutung als Geber wird allgemein anerkannt, und der
Prüfbericht ermutigt Deutschland dazu, in Zukunft auf internationaler Ebene eine noch
stärkere Führungsrolle in Entwicklungsfragen zu übernehmen. Der Entwicklungsausschuss
(DAC) der OECD spricht der Bundesrepublik seine Anerkennung für die Führungsinitiative
aus, die sie bei der Verknüpfung von Klimawandel und Entwicklung zeigt, und weist
darauf hin, dass Deutschland das Thema Klimawandel in seine Entwicklungsprogramme
einbezogen und die für diesen Bereich bestimmten ODA-Mittel im Verlauf der letzten
Jahre um 40% erhöht hat.

Seit der letzten Prüfung durch den DAC vor fünf Jahren hat Deutschland in vielen
Bereichen seiner Entwicklungszusammenarbeit gute Fortschritte erzielt. Deutschland
arbeitet nun mit 57 Entwicklungsländern eng zusammen – im Vergleich zu zuvor 84 – und
beabsichtigt, das Augenmerk vor allem auf die Themen Governance, Bildung, Gesundheit,
Klima und Umwelt, ländliche Entwicklung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu
richten, wobei verstärktes Gewicht auf den privaten Sektor gelegt wird. Deutschland
vergab jedoch nur 40% seiner bilateralen ODA-Mittel an die oben genannten Länder –
durch die Erhöhung dieses Anteils könnte der Effekt seiner öffentlichen
Entwicklungszusammenarbeit maximiert werden. Auf Empfehlung des DAC hat die
Bundesregierung Pläne zur Reform ihres fragmentierten Systems der
Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet und zudem Schritte zur Verbesserung der
Koordinierung der öffentlichen Entwicklungsleistungen eingeleitet. Der DAC fordert
Deutschland auf, die geplanten Reformen auszudehnen und zu beschleunigen, um die
Effizienz zu steigern und eine wirkungsvollere Erbringung seiner öffentlichen
Entwicklungsleistungen zu gewährleisten. Die Studie im Original:
http://www.oecd.org/de/dacreportdeutschland

Tatsächlich wimmelt es im Bericht an unverhohlener Kritik. Opposition und
zivilgesellschaftliche Organisationen sehen das Ministerium regelrecht abgestraft.
Tobias Hauschild, Oxfams Experte für Entwicklungsfinanzierung: "Der Bericht ist ein
deutliches Armutszeugnis für die Bundesregierung. Die OECD kritisiert zu Recht, dass
Deutschland die nötige Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung der internationalen
Entwicklungszusagen vermissen lässt. Wir fordern daher die Bundesregierung auf,
endlich einen glaubwürdigen Finanzierungsplan aufzustellen und neue
Finanzierungsquellen für die Armutsbekämpfung zu erschließen." Unklar sei darüber
hinaus auch, wie Minister Niebel die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungshilfe
steigern wolle. http://tinyurl.com/2ey4doy

Weitere Berichte dazu:
Ein Bericht, zwei Lesarten, in welt-sichten 12-2010/01-2011,
http://www.welt-sichten.org/artikel/art-12-010-01-011/ein-bericht-zwei-lesarten.html
18. Bericht zur Wirklichkeit der Entwicklungshilfe, von terre des hommes und
Welthungerhilfe, http://www.welthungerhilfe.de/18-bericht-entwicklungshilfe.html
Die deutsche Entwicklungspolitik unter der Lupe. Zur DAC-Peer Review 2010,
W&E-Hintergrund Dezember 2010, http://tinyurl.com/25ywc7c