Fair Oceans: Ein anderes Meer ist möglich!

Auf der Konferenz „Ein anderes Meer ist möglich!“, zu der ein breites Bündnis aus umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen vom 15. bis 17. Mai nach Bremen eingeladen hat, wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Positionspapier zur Meerespolitik verabschiedet, das die Grenzen des Blauen Wachstums zum Thema macht.

Nach Meinung der einladenden Organisationen steht unser Umgang mit dem Meer vor einer Richtungsentscheidung. Der immer stärkere Zugriff auf die lebenden, mineralischen und energetischen Ressourcen der Meere gefährdet den Erhalt der marinen Ökosysteme und befördert eine ungerechte und ungleiche Entwicklung.

Während die EU-Kommission ihren ebenfalls in Bremen stattfindenden, diesjährigen Kongress zum Europäischen Tag des Meeres unter die Überschrift „Innovation driving Blue Growth“ gestellt hat, rückte die zivilgesellschaftliche Konferenz die Entschleunigung des globalen Wettlaufs um die Schätze des Meeres in den Mittelpunkt. Die Organisationen sind sich darin einig, die Gefahr abzuwenden auf See dieselben Fehler zu wiederholen, die an Land zu Umwelt-, Klima- und Entwicklungskrise geführt haben. Noch gibt es für das Bündnis Alternativen, die beschritten werden können und zu einem Ende des Artensterbens und von Überfischung und Vermüllung der Meere führen. Unter anderem fordern sie die Tiefsee unangetastet zu lassen, mehr Meeresgebiete unter effektiven Schutz zu stellen und die Menschen- und Arbeitsrechte auf See durchzusetzen. Heute wird das Bündnis der EU-Kommissarin für maritime Angelegenheiten und Fischerei, Maria Damanaki, die folgende Erklärung der Konfernz übergeben.


Ein anderes Meer ist möglich!
 
Erklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zivilgesellschaftlichen Konferenz
zum Europäischen Tag des Meeres 2014
 
17. Mai 2014
 
Für eine gerechte und umweltschonende Meerespolitik sind die folgenden Forderungen vordringlich:
 
  1. Ende der Überfischung
 
Trotz immer zerstörerischerer Fangtechniken sinkt die Menge des global gefangenen Fischs, weil die Bestände unter der Überfischung zusammenbrechen. Der Preis dafür sind der Verlust an Stabilität der marinen Ökosysteme, an handwerklicher Fischerei und Ernährungssicherheit in den Ländern des Südens.
 
Wir wollen eine umfassende Reform der Fischerei hin zur Nachhaltigkeit. Wir fordern Fangquoten nach dem Prinzip des „maximum sustainable yield“ (MSY) auf der Basis des Vorsorgeprinzips und ökosystemarer Ansätze. Fangmengen dürfen allein nach wissenschaftlichen Kriterien festgelegt werden. Ebenso wichtig ist der Abbau schädlicher Subventionen bis 2020, die umweltschädliche Fischereitechnologien und Fischereimethoden fördern. Unter anderem gilt es ein Verbot für Tiefsee- und Bodenschleppnetze umzusetzen und in diesem Kontext die entsprechende UNGA-Resolutionen, welche u.a. Bodenschleppnetze auf Seebergen verbieten, zu unterstützen. 2030 muss in einem zweiten Schritt eine Bewirtschaftung der Bestände von 20% unter dem MSY etabliert werden, um damit die illegale Fischerei mit in die Berechnungen einzubeziehen, den Schutz der marinen Biodiversität zu berücksichtigen sowie natürlichen Bestandsschwankungen besser Rechnung zu tragen.
 
Anstelle des dominierenden Zugriffs der Industrieländer und der industriellen Fangflotten auf die weltweiten Fischbestände fordern wir parallel zum Abbau in den Industrieländern die Entwicklung eigenständiger Fischerei-Kapazitäten im globalen Süden bis 2020 zur Sicherstellung des Rechts auf Nahrung und ein Umschwenken auf die Bevorzugung der handwerklichen Fischerei bei strukturellen Entscheidungen. Die Vergabe von Fischereilizenzen an Fangflotten in den AWZ von Ländern, in denen die Ernährungssicherheit gefährdet ist, darf nur nach einer unabhängigen, wissenschaftlichen Bestimmung eines entsprechenden Überschusses und transparenten sowie partizipativer Mechanismen erfolgen. Dazu sind entsprechend des Seerechtsübereinkommens bis 2020 flächendeckend „Regional Fisheries Management Organisations“ (RFMOs) aufzubauen, die alle Fischfangnationen einbinden. In diesem Kontext muss auch die Bekämpfung der illegalen Fischerei konsequent umgesetzt werden.
 
  1. Meeresschutz ausbauen
 
Wir wollen die Ausweitung der Meeresschutzgebiete im offenen Meer und an der Küste. Die Forderung der „Biodiversitäts-Konvention“ (CBD) im Strategischen Plan nach 10% Meeresschutzgebieten im offenen Meer und an der Küste bis 2020 ist als Meilenstein einer neuen Zukunftsagenda zu setzen. Bis 2030 soll sich die Fläche der Meeresschutzgebiete auf 20% vergrößert haben. Meeresschutzgebiete müssen unter Berücksichtigung von Transparenz und naturschutzfachlichen Grundlagen festgelegt werden. Die Schutzgebiete müssen auf einem ausreichend finanzierten Management beruhen, das auf einer partizipatorischen und gerechten Grundlage fußt, die Rechte der lokalen Bevölkerung berücksichtigt sowie Betroffene in die Umsetzung der gebietsspezifischen Schutzziele und -regeln einbezieht. Schutzgebiete sollen ausreichend große ungenutzte Flächen (Nullnutzungszonen) enthalten. Für die europäischen Gewässer bedeutet dies mindestens 50%. Ebenfalls berücksichtigt werden muss ein vollständiger Ausschluss von Fischereitechniken aus Schutzgebieten, die zum Beifang von Meeressäugern und anderen Nichtzielarten führen und Lebensräume zerstören – allen voran Grundschleppnetzfischerei und Stellnetze. Die Reduzierung von Beifang muss in der Fischerei eines der obersten Ziele sein, entsprechend gefördert und durch selektive Fangtechniken umgesetzt und dies auch kontrolliert werden.
 
Der Prozess um ein „Implementing Agreement on Marine Biodiversity of the High Seas“ im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) muss zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Meeresschutz muss auch auf dem Meeresboden etabliert werden. Auf der Hohen See und dem Meeresboden soll ein umfassendes Netzwerk von Schutzgebieten errichtet werden. Eigenständig sichergestellt werden müssen im Rahmen des Meeresschutzes der Artenschutz und der Erhalt der Biodiversität. Wesentliche Schritte hierzu sind das Verbot des Fangs und der Tötung von Walen und Delfinen, ein Verbot des Finnings von Haien, eine Eindämmung des illegalen Handels mit Meerestieren und des Beifangs von Seevögeln und anderen Meeresbewohnern.
 
Damit der Meeresumweltschutz eine Chance hat, muss die Versauerung und Erwärmung der Meere durch den Klimawandel eingedämmt werden. Eine konsequente Umsetzung der Vereinbarungen zum Klimaschutz ist hierfür die Voraussetzung.
 
Über die Meeresschutzgebiete hinaus ist für alle Meere das Ziel eines Guten Umweltzustandes im Sinne der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu verfolgen.
 
  1. Schluss mit der Vermüllung
 
Die Mülleinträge ins Meer sollen bis 2020 um mindestens 50% reduziert werden, in Anlehnung an den zu erreichenden Guten Umweltzustand nach der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Bis spätestens 2035 muss das Problem der „Müllkippe Meer“ endgültig gelöst sein, das heißt der Eintrag muss auf Null reduziert werden. Um den Eintrag von Land zu verringern, müssen effektive Maßnahmen im Bereich der Ressourceneffizienz, des Produktdesigns und der Abfall- und Recyclingwirtschaft in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen entwickelt und mit den regionalen Meeresschutzübereinkommen vorangetrieben werden. Die 2011 verabschiedete „Honolulu-Strategie“, die Message from Berlin (2013) und die auf der Rio+20-Konferenz begründete „UN-Partnership on Marine Litter“ sollen vorangetrieben werden.
 
  1. Tiefsee unangetastet lassen
 
Wir fordern ein internationales Moratorium für den Abbau von Erzen aus der Tiefsee. Wir fordern die Durchsetzung eines internationalen Verbots zur Förderung von Öl und Gas  aus der Tiefsee und der Arktis bis 2020. Die Ölförderung in der Tiefsee (ab 200 m) und in der Arktis ist besonders riskant, wie sich beim Untergang der „Deepwater Horizon“ bereits gezeigt hat. Unter der Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien müssen stattdessen alternative Rohstoffstrategien entwickelt werden, die vorrangig auf eine Einsparung und ein effektives Recycling setzen. Verstärkt gefördert werden muss die wissenschaftliche Grundlagenforschung zur Ökologie der Tiefsee. Von vornherein muss der Abbau von Methan aus der Tiefsee aufgrund der extrem klimatreibenden Auswirkungen des Gases verboten werden, ebenso die Einlagerung von CO2 in der Tiefsee, aufgrund des großen Gefahrenpotentials dieser Technologien.
 
  1. Menschen- und Arbeitsrechte auf See durchsetzen
 
Die Rettung von Menschen aus Seenot, eines der ältesten Gesetze auf See, muss verbindlich durchgesetzt werden. Obwohl sie im Seerechtsübereinkommen der UN, in der „International Convention for the Safety of Life at Sea“ (SOLAS) und der „International Convention on Maritime Search and Rescue“ der „International Maritime Organization“ (IMO) verankert ist, wird sie immer öfter missachtet, vor allem wenn es um die Seenotrettung von Flüchtlingen geht.
 
Billigflaggen müssen abgeschafft werden. Die Ausflaggung von Schiffen dient allzu oft der Aushebelung von Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechten auf See. Entsprechend der International-Transport-Workers’-Federation-Initiative von 1948 muss bis 2020 ein internationales Vertragswerk ratifiziert werden, das die Flagge an die Nationalität bzw. den Wohnsitz der Eigentümer bindet und dadurch eine bessere Kontrolle der Abläufe und Verantwortlichkeiten an Bord erlaubt.
 
Generell gilt es die Einhaltung von Menschen-, Arbeits- und Sozialrechten auf See, einschließlich Offshore-Anlagen und Häfen, auf Werften und bei der Abwrackung von Schiffen konsequent zu kontrollieren. So ist beispielsweise die Umgehung von Umwelt- und Sozialrechten in der maritimen Wirtschaft durch die Auslagerung von Schiffsabwrackungen zu unterbinden. Insbesondere muss Wert darauf gelegt werden, Kontrollen (Hafenstaat) zur Umsetzung und Einhaltung der „Maritime Labor Convention“ von 2006, die ab dem 20. August 2014 weltweit gelten wird, durchzuführen.
 

Die Konferenz wurde veranstaltet von:

+++ Bremer entwicklungspolitisches Netzwerk +++ Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst +++ Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland +++ Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz +++ Deepwave +++ Deutsche Seemannsmission +++ IntKom/Fair Oceans +++ Forum Umwelt und Entwicklung +++ Greenpeace +++ medico international +++ Naturschutzbund Deutschland +++ Redaktion Waterkant +++ Robin Wood +++ Shipbreaking Platform +++ Slow Food Deutschland +++ International Transport Workers' Federation/ver.di +++ Whale and Dolphin Conservation +++ World Wide Fund For Nature +++

"Fair Oceans Die Weltmeere als gemeinsames Erbe der Menschheit und ihre nachhaltige Nutzung" www.fair-oceans.info ist ein Arbeitsschwerpunkt des Vereins für Internationalismus und Kommunikation e.V. aus Bremen.