Finanzkrise: Hunger und Armut nehmen zu

Die US-Regierung und die Europäische Union haben mittlerweile das 45fache der Summe,
die sie für die Abmilderung des Klimawandels und die Verringerung der weltweiten Armut
ausgeben, für die Rettung maroder Banken und Unternehmen im Rahmen der
Finanzmarktkrise zur Verfügung gestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller
Bericht des Washingtoner Institute for Policy Studies (IPS) mit Stand vom 24. November
2008 und dem Titel ''Skiewed Priorities: How the Bailouts dwarf Other global Crisis
Spending''. http://tinyurl.com/5fgqch (Quelle: epo.de)

Die globale Finanzkrise, die Ernährungskrise und die Auswirkungen des Klimawandels
summierten sich zu einer ''weltweiten Wirtschaftskrise'', warnte die deutsche
Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul. Die Entwicklungsländer drohten ''in eine
schwere humanitäre Krise abzugleiten''. ''Die Finanzmarktkrise, die in den USA ihren
Ausgang genommen hat, hat schon jetzt 40 Millionen Menschen weltweit mehr in die Armut
getrieben. Jeder Prozentpunkt weniger Wachstum bedeutet 20 Millionen mehr Arme. Die
Zivilgesellschaft müsse einen ''Global New Deal'' mitgestalten. Es sei aber auch
notwendig, ''massiv in die Landwirtschaft, in den Klimaschutz, in die Anpassung an den
Klimawandel und in Erneuerbare Energien ebenso wie in die Infrastruktur in
Entwicklungsländern zu investieren''. Deutschland werde deshalb den Infrastrukturfonds
der Weltbank mitfinanzieren. ''Wir dürfen keinen Kasino-Kapitalismus mehr zulassen'',
warnte Wieczorek-Zeul. ''Wir müssen zuverlässige Regeln für die globalen Finanzmärkte
schaffen. Weltbank und IWF müssen zu soliden Stabilitätsankern werden.''

Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise forderte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon,
dass diese keine Auswirkungen auf die Finanzierung der MDG haben darf. Nach
Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat die Finanzbranche bereits
jetzt Verluste in Höhe von 1.400 Milliarden US-Dollar erlitten. Laut
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon würden fünf Prozent dieser Summe – 72 Milliarden
US-Dollar – zusätzlich pro Jahr ausreichen, damit in ganz Afrika bis zum Jahr 2015
Armut und Hunger halbiert, allen Menschen eine Schulbildung ermöglicht sowie Aids,
Malaria und Tuberkulose erfolgreich bekämpft werden könnten. Auch der Generalsekretär
der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) Supachai Panitchpakdi sieht
Gefahren für die Entwicklungsländer, die aus der globalen Finanzkrise resultieren. Er
erklärte, die Entwicklungsländer seien ''unschuldige Beobachter'' der sich
ausweitenden Finanzkrise. Einige Sektoren der sich entwickelnden Ökonomien des Südens
litten bereits jetzt unter der Krise, weitere Auswirkungen seien insbesondere im
Handelsbereich zu erwarten. Der Rohstoffboom, der rohstoffexportierenden
Entwicklungsländern zeitweilig genutzt habe, werde zu Ende gehen. Panitchpakdi
befürchtet eine Kapitalflucht aus den Ländern des Südens und fordert eine Form der
Regulierung der Finanzmärkte, die die Risiken für kleine Länder verringert.
http://www.unctad.org/Templates/Webflyer.asp?intItemID=1397&docID=10721

In einer Erklärung brachte der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) seine Sorge über
die Auswirkungen der Finanzkrise zum Ausdruck. Die Krise werde die Armen in den
Entwicklungsländern am Härtesten treffen und die Industrieländer liefen Gefahr, die
lebenswichtigen Interessen der Menschen, die in Armut leben, aus dem Blick zu
verlieren. Bei einem neuen Regulierungssystem für die internationalen Finanzmärkte
müssten unter anderem folgende Aspekte berücksichtigt werden: Die Schaffung von mehr
Verteilungsgerechtigkeit, die Verhinderung von Spekulationen bei Grundnahrungsmitteln
und Naturgütern, Schutz sich entwickelnder Märkte in Schwellen- und
Entwicklungsländern sowie die Einführung einer Börsenumsatzsteuer für kurzfristige
Devisentransaktionen.

NRO-Vertreter forderten angesichts der Finanzmarktkrise ein neues Leitbild für die
Internationalen Finanzinstitutionen. Dieses müsse, der NRO WEED zufolge,
entwicklungsfreundlich und damit stabil, berechenbar und sozial gerecht sein. Zudem
sollte es den Entwicklungsländern den Spielraum lassen, ihren Entwicklungsweg selbst
zu bestimmen. Die Lobbyorganisation ONE forderte politische Entscheider auf, die
Überwindung der drängenden Nahrungsmittel-, Energie- und Gesundheitsdefizite in den
Entwicklungsländern als integralen Bestandteil zur Überwindung der weltweiten
Finanzkrise zu begreifen. Das Kampagnenbündnis ''Global Call to Action against
Poverty'' (GCAP) kritisierte, dass finanzielle Hilfen und Schuldenerlasse immer noch
an eine ganze Reihe von Konditionen gebunden seien, die häufig den armen Menschen
schaden. Außerdem sei noch keine Reform des Stimmrechts innerhalb der Weltbank und des
IWF in Sicht, die Entwicklungs- und Schwellenländern gleichberechtigte
Mitspracherechte einräumt. Lob gab es dagegen für den Plan zur Einführung eines
''International Tax Compact''. Vertreter von MISEREOR begrüßten ihn als einen
wichtigen Schritt zu einer verbindlichen internationalen Kooperation, mit der die
Schäden, die Entwicklungsländern durch systematische Steuerflucht entstünden,
reduziert werden könnten. Diese Mittel lägen oftmals weit über den Einnahmen der
Entwicklungshilfe und würden dringend für Armutsbekämpfung und Entwicklung benötigt.
Quelle: 2015aktuell

Links:
http://www.misereor.de/presse/
http://www.one.org/de/news/
http://www.whiteband.org/media/press-info
http://www.weed-online.org/

Interview mit Prof. Dr. Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für
Entwicklungspolitik (DIE). http://tinyurl.com/6aa5vt

Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zu diesem Thema:
http://www.fes.de/inhalt/Dokumente_2008/Finanzkrise_FES.pdf